Die Zunahme der Wichtigkeit von Crowdfunding ist die logische selbstheilende Konsequenz des Finanzierungsmarktes auf die immer restriktivere Kreditgewährung der Kreditinstitute an Unternehmen. Vielen Unternehmen wurde dadurch der Zugang zu frischem Kapital zur Finanzierung von vielversprechenden Projekten verwehrt. Der Gesetzgeber hat diese Entwicklung verschlafen und passt das derzeit bestehende enge gesetzliche Korsett nur zögerlich an die neuen Anforderungen des Marktes an. Zu sehr wird mit dem Schutz der Verbraucher argumentiert, dabei jedoch übersehen, dass gerade bei Projekten von regional tätigen Unternehmen die Motive für eine Investition in das Unternehmen vielfältig sind und das Unternehmen vom Verbraucher bewusst gewählt wird. Der Investor identifiziert sich bis zu einem gewissen Grad mit dem Unternehmen. Die investierten Beträge sind im Regelfall bei weitem nicht existenzbedrohend. Es darf auch nicht übersehen werden, dass gerade regional bekannte Unternehmen bei Scheitern des Projektes sehr schnell einen vielleicht nicht wieder gut zu machenden Imageschaden in der Region erleiden und daher doppelt vorsichtig agieren werden.
Der Gesetzgeber ist gefragt, hier rasch großzügigere gesetzliche Änderungen zu verabschieden, die vor allem den kleinen Unternehmen mehr Möglichkeiten zur Einbindung einer Vielzahl von Kleininvestoren (meistens die Bürger der Region) bieten.
Definition Crowdfunding
Gesetzliche Stolpersteine
a) Vorliegen eines Bankgeschäftes gemäß Bankwesengesetz (BWG)Die gewerbliche Entgegennahme fremder Gelder mit unbedingtem Rückzahlungsanspruch ist ein Bankgeschäft, das gemäß BWG ausschließlich den Banken vorbehalten ist (Konzessionspflicht). In der Praxis des Crowdfunding fällt darunter vor allem die Entgegennahme von Darlehen. Das war auch der Grund, warum sich der aus den Medien bekannte Rebell aus dem Waldviertel „Heini“ Staudinger (w4tler.at) einen langen und erbitterten Rechtsstreit mit den Behörden lieferte, im Zuge dessen er sich schlussendlich dem Druck der Behörden beugen musste und sein erfolgreiches Finanzierungsmodell (eben Entgegennahme von klassischen Darlehen) auf eine weniger vorteilhafte gesetzlich zulässige Variante umstellen musste.Gewerbliche Entgegennahme von klassischen Darlehen mit unbedingtem Rückzahlungsanspruch durch Nichtbanken ist daher verboten.b) Vorliegen eines öffentlichen Angebotes gemäß Kapitalmarktgesetz (KMG)
Das KMG regelt das öffentliche Anbieten von Wertpapieren (relevant im Crowdfundingbereich sind vor allem Anleihen) und Veranlagungen (z.B. Publikums-KG oder stille Gesellschaften). Öffentliche Angebote sind Mitteilungen an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Bedingungen eines Angebots von Wertpapieren oder Veranlagungen und über die anzubietenden Wertpapiere oder Veranlagungen enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere oder Veranlagungen zu entscheiden. Konsequenz des Vorliegens eines öffentlichen Angebotes ist unter anderem die aufwendige Prospektpflicht. Wertpapiere und Veranlagungen dürfen nur dann öffentlich angeboten werden, wenn vom Unternehmen vorab ein Kapitalmarktprospekt erstellt und dieser von den zuständigen Stellen gebilligt wurde. Da sich die Prospekterstellung bei kleineren Projekten aufgrund der hohen Kosten und des damit verbundenen Aufwandes nicht rechnet, stellt die Prospektpflicht für viele Projekte eine unüberwindbare Hürde dar.
Erfreulicherweise gibt es jedoch – wenn auch derzeit noch in zu geringem Umfang –Ausnahmen von der Prospektpflicht. Die wichtigsten sind:
- Gesamtwert des Angebotes liegt unter € 250.000,-, wobei diese Obergrenze über einen Zeitraum von zwölf Monaten zu berechnen ist;
- Angebot richtet sich an weniger als 150 Personen (Abgrenzung in der Praxis schwierig);
- Jeder einzelne Anleger investiert zumindest einen Betrag von € 100.000,-.
Nur bei Einhaltung dieser engen Grenzen dürfen daher Wertpapiere oder Veranlagungen öffentlich ohne Verpflichtung zur vorherigen Erstellung eines Prospektes angeboten werden.
c) Vorliegen eines Alternativen Investmentfonds gemäß Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz (AIFMG)
Neben BWG und KMG ist seit Juli 2013 auch das AIFMG zu beachten. Angebote, die unter dieses Gesetz fallen, sind konzessionspflichtig oder bedürfen unter gewissen Voraussetzungen einer Registrierung bei der FMA. Da bei Bejahung einer Registrierungspflicht das Angebot grundsätzlich nicht an Privatkunden vertrieben werden kann und eine Konzessionslösung von vornherein ausscheidet, ist zu prüfen, ob bei Crowdfundingvorhaben das AIFMG zur Anwendung gelangen könnte.
Unter das AIFMG fallen alle Angebote zur Einsammlung von Kapital, bei der das Kapital nach einer festgelegten Anlagestrategie nicht für operative Geschäftszwecke verwendet wird. Diese Formulierung bietet naturgemäß einen großen Interpretationsspielraum. In den meisten Fällen wird das Kapital der Investoren für operative Geschäftszwecke für ein konkretes Projekt verwendet sowie existiert für die Investoren keine festgelegte Anlagestrategie.
Das AIFMG sollte im Normalfall aufgrund der Verwendung der eingesammelten Gelder für operative Geschäftszwecke nicht zur Anwendung gelangen.
Lösungsvorschläge
Nachdem nun die wichtigsten gesetzlichen Schranken bekannt sind, können nun darauf aufbauend zulässige Modelle überblicksmäßig dargestellt werden.
a) Begebung einer handelbaren Anleihe
Für dieses Crowdfunding Modell kommen im Regelfall zur Vermeidung der Prospektpflicht nach KMG zwei Varianten in Betracht:
Variante A (maximal € 249.999,-):
bei dieser Variante kann innerhalb eines Jahres maximal ein Betrag von € 249.999,- ohne Prospektpflicht aufgebracht werden. Sollte daher insgesamt ein Kapitalbedarf von € 400.000,- bestehen und diese Mittel erst etappenweise benötigt werden, könnte die Finanzierung über ein Jahr hinaus verteilt werden, dann aber auch der Gesamtbetrag zulässigerweise auf diese Weise finanziert werden.
Bei Kleinprojekten ist diese Variante daher sehr attraktiv.
Unabhängig davon sollte es möglich sein, zeitgleich für mehrere verschiedene Projekte (sofern vorhanden) öffentliche Angebote zu einem Wert von jeweils unter € 250.000,- zu legen. Um den Anschein einer Umgehungshandlung überhaupt erst nicht aufkeimen zu lassen, sollten die einzelnen Angebote möglichst stark voneinander abweichen.
Variante B (maximal 150 Personen):
Eine weitere Möglichkeit wäre, das Angebot einer Anleihe an weniger als 150 Personen zu richten mit der Konsequenz, dass die Höchstgrenze von € 250.000,- entfällt. Hier muss nachweisbar sichergestellt werden, dass das Angebot tatsächlich nur an 149 Personen gerichtet wurde (Umgehungshandlungen). Theoretisch könnte auf diese Weise ein Finanzierungsvolumen von vielen Millionen aufgebracht werden. Zu beachten ist, dass auch bei Anwendbarkeit dieser Ausnahmebestimmung die Emission der Anleihe der österreichischen Kontrollbank zu melden ist.
Schließlich gibt es auch die Möglichkeit, das Angebot im Rahmen von persönlichen Beratungsgesprächen zu unterbreiten. Mangels Öffentlichkeit könnte hier überhaupt keine Prospektpflicht ausgelöst werden. Ob sich auf diese Weise genügend Investoren finden lassen, sei dahingestellt.
Bei den im KMG geregelten Wertpapiergeschäften ist zudem ein Konflikt mit dem BWG möglich, wenn die Papiere nicht als Inhaber- oder Orderpapiere ausgestaltet sind. Inhaberpapiere sind Wertpapiere, bei denen der jeweilige Inhaber des Wertpapiers das verbriefte Recht geltend machen kann. Der Berechtigte wird nicht namentlich genannt. Orderpapiere sind auf einen Namen lautende Wertpapiere, die durch Einigung, Indossament und Übergabe übertragen werden können. Bei Ausgestaltung als Namenspapiere (nur durch Zession übertragbar) besteht keine ausreichende Rechtssicherheit.
Veranlagungen nach dem KMG können allenfalls dann auch vom BWG umfasst sein, wenn die Verlustbeteiligung abbedungen wurde.
b) Qualifiziertes Nachrangdarlehen
Bei dieser Finanzierungsform handelt es sich um Darlehen der Investoren mit der Besonderheit, dass die Darlehensgeber eine qualifizierte Nachrangklausel mit dem Unternehmen als Darlehensnehmer vereinbaren. Vereinbart wird konkret, dass die Darlehensgeber die Rückzahlung des Darlehens und die Zahlung von Zinsen so lange und so weit nicht verlangen können, wie sie beim Darlehensnehmer einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würde. Wird tatsächlich ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Darlehensnehmers eröffnet, erhalten die Darlehensgeber nur dann Zahlungen, wenn alle anderen Gläubiger des Darlehensnehmers zuvor vollständig befriedigt wurden. Dies hat zur Konsequenz, dass die Darlehensgeber in dieser Hinsicht eine ähnliche Funktion wie Gesellschafter innehaben, jedoch tatsächlich keine Gesellschafter sind und auch nicht gewinnbeteiligt sind (lediglich fixer Zinssatz). Für den Investor handelt es sich daher um ein Hochrisikoprodukt.
Für den Darlehensnehmer ist diese Form des Darlehens jedoch sehr vorteilhaft, da trotz des Bestehens von Darlehen keine Konzessionspflicht nach dem BWG vorliegt und bei entsprechender Ausgestaltung der Verträge auch kein Prospekt nach KMG (sofern nicht der Tatbestand der Veranlagung erfüllt ist) erforderlich sein sollte.
Neben anderen Kriterien setzt die Qualifikation eines nachrangigen Darlehens als Veranlagung im Sinne des KMG eine Risikogemeinschaft der Investoren voraus. Durch eine umsichtige Vertragsgestaltung wie die Vereinbarung von angemessenen Kündigungsmöglichkeiten sowie von kurzen Laufzeiten in den Darlehensverträgen sollte das Eintreten des Tatbestandes der Risikogemeinschaft und damit das Vorliegen einer prospektpflichtigen Veranlagung gemäß KMG erfolgreich verhindert werden können. Auch die Finanzmarktaufsicht vertritt in einer offiziellen Stellungnahme diese Ansicht (Stellungnahme FMA)
c) Darlehen/Spareinlagen-Modell
Da wie bereits erwähnt Darlehen von Investoren unter das BWG fallen, muss zur Herstellung von Gesetzeskonformität eine Bank zwischengeschaltet werden. Die Investoren zahlen den gewünschten Anlagebetrag als (projektgebundene) Spareinlage an die Bank. Die Bank gibt dann die Spareinlagen an das Unternehmen in Form eines Darlehens weiter. Am Ende der Laufzeit muss dann das Unternehmen den Kredit an die Bank zurückzahlen und können dann in der Folge die Spareinlagen der Investoren bei der Bank aufgelöst werden. Die Investoren erhalten für ihre Spareinlagen Zinsen bzw. wäre auch ein Modell andenkbar, bei dem die Investoren anstatt Zinsen Gutscheine für Waren oder Dienstleistungen des Unternehmens erhalten. Da auch die gewerbliche Vermittlung von Spareinlagen konzessionspflichtig ist, besteht eine Hürde darin, dass das Unternehmen streng genommen nicht offiziell Investoren an die Bank vermitteln darf. Die Bank müsste daher dieses Angebot selbst auf dem Markt anbieten.
Für die Investoren bietet dieses Modell große Sicherheit, da die gesetzliche Einlagensicherung der Spareinlagen greift, das Verlustrisiko daher nicht besteht. Wenn das Unternehmen gegenüber der Bank als nicht ausreichend kreditwürdig für ein Direktdarlehen eingestuft wird, stellt sich jedoch die Frage, warum die Bank über diesen Umweg doch ein Darlehen an das Unternehmen gewähren soll.
Die Schutzbestimmungen des BWG und des KMG sind hier nicht zu beachten.
d) Gutscheinmodell
Bei diesem Modell wird die Beteiligung der Investoren über den Kauf von Gutscheinen abgewickelt. Die Investoren kaufen somit Gutscheine des Unternehmens lautend auf einen gewissen Betrag, der dann zweckgebunden für das Projekt verwendet wird. Die Rückzahlung des so aufgebrachten Betrages erfolgt wiederum über Waren- oder Dienstleistungsgutscheine des Unternehmens zuzüglich eines Aufschlages für den Investor in regelmäßigen Abständen.
Diese Form kann – richtig beworben –die Bindung der Investoren an das Unternehmen erhöhen. Dadurch kann zudem bereits ein gewisser Kundenstock für das Unternehmen aufgebaut werden, um eine gute Auslastung zu erreichen.
An sich sollten hier weder die Vorschriften des BWG noch des KMG zur Anwendung kommen. Sicherheitshalber sollten auch hier die Schwellenwerte des KMG im Auge behalten werden.
e) Beteiligung an einer Gesellschaft (z. B. Publikums-KG, Stille Gesellschaft)
Solange die Verluste der Investoren nicht vertraglich ausgeschlossen wird, liegt kein Einlagengeschäft gemäß BWG vor. Zu beachten ist jedoch, dass derartige Publikumsbeteiligungen stets eine Prospektpflicht nach KMG begründen werden, sofern die Schwellenwerte überschritten werden.
Bei dieser Variante sind die Investoren von einer Mitbestimmung an der Gesellschaft weitestgehend ausgeschlossen. Die Rechte werden üblicherweise von einem gemeinsamen Treuhänder ausgeübt.
Diese Form lässt einen breiten Raum für Gestaltungsmöglichkeiten des Gesellschaftsvertrages und schafft ein gewissen „Wir-Gefühl“, da die Investoren am Unternehmen beteiligt sind. Bei fehlendem Gewinn des Unternehmens wird aber kein Gewinn an die Investoren ausbezahlt.
Diese Variante rechnet sich aufgrund der Komplexität und der damit verbundenen Kosten erst bei höheren Finanzierungsvolumina.
f) Sale-and-lease-back-Modell
Bei diesem Finanzierungsmodell erwerben Investoren vom Unternehmen einzelne Teile einer Anlage und vermieten die Investoren die gekauften Teile entgeltlich wieder an das Unternehmen zurück. Dieses Finanzierungsmodell ist vor allem bei der Errichtung von Fotovoltaikanlagen äußerst beliebt, da die Gesamtanlage recht einfach in die einzelnen Fotovoltaik-Module aufgespalten werden kann.
Der Nachteil dieses Modells liegt in der sehr eingeschränkten Einsetzbarkeit, der Vorteil darin, dass weder die Schutzbestimmungen des BWG noch des FMG zur Anwendung kommen.
Fazit
Crowdfunding bietet nach den gesetzlichen Rahmenbedingungen vor allem Unternehmen mit regionalem Fokus die einmalige Chance, die Unabhängigkeit von finanzierungsunwilligen Banken zu erhöhen. Die Komplexität der gesetzlichen Beschränkungen macht die frühzeitige Involvierung eines Rechtsanwaltes in den Finanzierungsprozess erforderlich. Für die Anleger gilt: Auch wenn man Feuer und Flamme für ein Projekt ist, bleibt das investierte Geld Risikokapital.
Da viele Projekte oft von regionalen Unternehmen betrieben werden, gilt für diese, dass bei Scheitern des Projektes ein vielleicht nicht wieder gutzumachender Imageschaden auftritt. Dabei sollte das finanzierungssuchende Unternehmen tunlichst darauf achten, trotz fehlender Prospektpflicht im Hinblick auf die zumeist zu bejahende Verbrauchereigenschaft der Investoren im ausreichenden Maße ihren konsumentenschutzrechtlichen Aufklärungs-, Schutz-und Sorgfaltspflichten nachzukommen. Unternehmen, die gerne einen geheimnisumwobenen Umgang mit der Öffentlichkeit pflegen, werden sich schwer tun, sich erfolgreich über Crowdfunding zu finanzieren.